Ad-hoc-Pflicht des Veräußerers
Sobald im Laufe der M&A-Transaktion eine Insiderinformation entsteht, muss der Veräußerer, ebenso wie der Erwerber, sie entweder ad-hoc-veröffentlichen oder einen Befreiungsbeschluss fassen. Regelmäßig sind zunächst Selbstbefreiungen insbesondere bezüglich der Zwischenschritte möglich. Nichtsdestotrotz ist es für den Emittenten notwendig durch einen entsprechenden Beschluss tätig zu werden und die Entscheidung zu dokumentieren.
Kontaktaufnahme
In diesem Stadium fehlt es in der Regel an der Kursrelevanz der Umstände, da sich noch nicht abzeichnet, ob der Gegenüber überhaupt die Absicht hat sich auf ein Geschäft einzulassen, weshalb der Abschluss des Geschäfts noch unwahrscheinlich ist. Darüber hinaus fehlt es zu diesem Zeitpunkt auch noch jeglicher Konkretisierung der Vertragsmodalitäten. Nichts anderes gilt auch, wenn zudem externe Berater engagiert wurden und ein Confidentiality Agreement (Vertraulichkeitserklärung) unterzeichnet wurde.
Letter of Intent
Mit der Absichtserklärung liegt eine veröffentlichungspflichtige Insiderinformation regelmäßig noch nicht vor.
Zwar bekundet der Geschäftspartner damit Interesse an der Transaktion und es wird vereinbart weitere Schritte zum Abschluss eines Vertrags herbeizuführen, rechtliche Bindungswirkung erwächst daraus aber nicht. Die bloße Erklärung fortlaufend verhandeln zu wollen, würde dem verständigen Anleger nicht genügen, um daraus eine Anlageentscheidung zu treffen, sodass es an der Kursrelevanz fehlt. Nur wenn der Letter of Intent schon sehr spezifisch in Bezug auf Kaufpreis und die übrigen Eckpunkte der Transaktion ist, sodass die Transaktion schon sehr ausgereift bzw. wahrscheinlich ist, könnte ausnahmsweise doch eine Insiderinformation vorliegen. In diesem Fall kann sich der potentielle Erwerber aber von der Ad-hoc-Verpflichtung selbst befreien.
KRAMMER JAHN-PRAXISHINWEIS: Zur Absicherung ist es zu empfehlen, einen Beschluss zur vorsorglichen Befreiung zu fassen und diesen zu dokumentieren (Muster für einen vorsorglichen Befreiungsbeschluss). Selbst wenn noch keine Insiderinformation vorliegt, fällt es dem Emittenten zu, dies zu beweisen, sodass die Selbstbefreiung hilfsweise absichern kann. Insofern mit der MAR in vielen Punkten ein strengerer Maßstab angelegt wurde, ist es durchaus möglich, dass die BaFin in Zukunft auch eine großzügigere Auslegung von Insiderinformationen betreibt. |
Due Diligence
Mit erfolgreichem Abschluss einer Due Diligence liegt in jedem Fall eine Insiderinformation vor. Die Durchführungsvereinbarung genügt hingegen meistens nicht den Ansprüchen an eine Insiderinformation.
Die Gestattung einer Überprüfung des Unternehmens macht das Geschäft nicht wahrscheinlicher; vielmehr hängen die weiteren Verhandlungen vom Ergebnis der Unternehmensprüfung ab. Zudem kristallisiert sich aus der Analyse des Geschäftsbetriebs oftmals erst die Höhe des Kaufpreises. Ferner ist die Due Diligence als anerkannte Standardmaßnahme solcher Transaktionen zumeist bereits im Letter of Intent festgehalten, sodass es sich ohnehin nur um die Umsetzung der getroffenen Vereinbarung handelt. Würden aufgrund eines negativen Ergebnisses die Verhandlungen eingestellt, so wäre der gesamte Vorgang auch nicht weiter kursrelevant.
Mit Abschluss der Due Diligence sind die wesentlichen Risiken der Transaktion offengelegt. Sofern keine größeren Komplikationen zutage gefördert wurden, ist davon auszugehen, dass das beabsichtigte Geschäft nun nicht mehr unwahrscheinlich ist und auch zum Abschluss gebracht wird. Damit entsteht ein veröffentlichungspflichtiger Zwischenschritt mit dem positiven Abschluss der Überprüfung. Eine Ad-hoc-Pflicht hinsichtlich des Gesamtvorgangs kann allerdings nicht pauschal unterstellt werden. Sofern die fundamentalen Konditionen des Vertrags noch auszuhandeln sind, ist eine Einigung noch offen. In jedem Fall kann aber hinsichtlich beider Insiderinformationen eine Selbstbefreiung vorgenommen werden, um die weiteren Vertragsverhandlungen nicht zu erschweren.
KRAMMER JAHN-PRAXISHINWEIS: Fand für den Letter of Intent noch kein niedergelegter Beschluss statt, so sollte spätestens jetzt eine Selbstbefreiung beschlossen und dokumentiert werden. In Bezug auf die Durchführung der Due Diligence ist keine erneute (vorsorgliche) Befreiung erforderlich, sofern für den Letter of Intent bereits eine solche vorgenommen wurde, aus der deren Durchführung hervorgeht. Würdigt die BaFin den Sachverhalt abweichend, drohen mangels Absicherung Sanktionen. |
Einigung über die wesentlichen Modalitäten
Mit Verständigung auf die vertraglichen Eckpunkte wächst dem Gesamtvorgang spätestens Insiderinformationsqualität an, falls das gesamte Geschäft noch nicht mit dem Erfolg der Due Diligence veröffentlichungspflichtig wurde. Weiterhin ist eine Selbstbefreiung durch Beschluss möglich (Vorlage für einen Befreiungsbeschluss).
Die Aushandlung der endgültigen Vertragskonditionen macht die M&A-Transaktion überwiegend wahrscheinlich. Mit Übereinkunft in den wesentlichen wirtschaftlichen Aspekten wird sich kaum ein Verhandlungspartner, insbesondere in Anbetracht der bereits entstandenen Transaktionskosten, dem Geschäft ohne wichtigen Grund verschließen. Sofern nach der Due Diligence die Kernpunkte des Vertrags noch offen waren, entsteht nun hier die Insiderinformation hinsichtlich des Gesamtvorgangs.
KRAMMER JAHN-PRAXISHINWEIS: Sofern sich keine wesentlichen Modalitäten der Transaktion ändern, ist hier kein weiteres Handeln bezüglich Veröffentlichung oder Selbstbefreiung angezeigt. Bei erheblich veränderten Konditionen ist im Zuge einer gegenläufigen Insiderinformation auch diese durch Beschluss von der Ad-hoc-Publikation zu befreien. Entstanden die Eckpunkte des Vertrags erst jetzt, so ist eine Befreiung des Gesamtvorgangs nun noch vorzunehmen und zu dokumentieren. |
Signing
Der Vertragsabschluss selbst ist ebenfalls als Insiderinformation ad-hoc-pflichtig. Da die nun abgeschlossenen Verhandlungen nicht mehr gefährdet werden können, ist auch keine Selbstbefreiung mehr möglich und die aufgeschobenen Veröffentlichungen sind vorzunehmen und der BaFin zu übermitteln. Mit dem Vertragsschluss ist das Gesamtergebnis, auch wenn die dingliche Übertragung noch aussteht, äußerst wahrscheinlich. Eine eventuell notwendige Genehmigung des Aufsichtsrats ist im Rahmen einer guten Compliance im Vorfeld einzuholen.
Closing
Der dingliche Vollzug ist in aller Regel keine neue Insiderinformation und daher nicht erneut ad-hoc-pflichtig.
Sofern die Erfüllung des Vertrags nach dessen Vereinbarungen verläuft, gibt es keine Notwendigkeit die Ad-hoc-Meldung zu aktualisieren. Der verständige Anleger hat für sein Anlageverhalten bereits alle notwendigen Erwägungen aus dem Signing ziehen können, sodass es dem Closing an der Kursrelevanz fehlt. Nur wenn unvorhergesehene Veränderungen auftreten, ist eine aktualisierende Meldung herauszugeben.