Ad-hoc-Pflicht eines Bieters
Eine Sonderform der M&A-Transaktion stellt die Auktion eines Unternehmens dar. Dabei wird über den Verkauf nicht bilateral verhandelt, sondern die Zielgesellschaft multilateral angeboten. Dadurch klaffen insbesondere die Entstehungszeitpunkte korrespondierender Insiderinformationen bei den einzelnen Beteiligten erheblich auseinander. Eine Beurteilung der Ad-hoc-Pflicht erfolgt erneut nach Personen unterteilt.
Während der Auktionator sich eines Geschäftsabschlusses bei mehreren Interessenten schon relativ früh sicher sein kann, bleibt der Bieter aufgrund der Konkurrenz ungleich länger darüber im Ungewissen, ob er vom Versteigerer den Zuschlag erhält. Realistische Chancen auf den Vertragsschluss kann der Bieter sich erst fundiert erhoffen, wenn der Autionator eine Präverenz zu seinen Gunsten angezeigt hat.
Indicative Offer
Mit sein Indicative Offer entsteht beim Bieter noch keine Veröffentlichungspflicht. Selbiges gilt auch noch bei der Berücksichtigung des vorläufigen Gebots.
Durch die Abgabe eines unverbindlichen Angebots kann der Bieter noch keinerlei Rückschlüsse auf die hypothetische Transaktion ziehen. Er kann noch nicht einmal abschätzen, ob der Auktionator sein Gebot überhaupt berücksichtigt. Doch selbst wenn dies geschieht, kann er immer noch nicht absehen, wie viele Konkurrenten er noch hat und wie er gegenüber deren Geboten im Rennen liegt. Die Transaktion ist für ihn noch viel zu unwahrscheinlich, um eine Insiderinformation zu konstituieren.
Due Diligence
Durch die Gestattung oder auch den Abschluss einer Due Diligence am Auktionsobjekt liegt keine ad-hoc-pflichtige Insiderinformation vor.
Durch die Ermöglichung der Überprüfung des Zielunternehmens ist der Bieter zwar versichert, dass er zum qualifizierten Erwerberkreis der Auktion gehört, allerdings bleibt er über seine Konkurrenz ebenso wie seine Erwerbschancen im Unklaren. Daran ändert auch der Abschluss der Due Diligence nichts. Das gesamte Verfahren sollte ihm nur ermöglichen seine eigenen Interessen zu sondieren und die zukünftige Gebotsstrategie vorzubereiten. Die für eine Insiderinformation notwendige Wahrscheinlichkeit wurde dadurch noch nicht erreicht.
Binding Offer
Aus dem Binding Offer erwächst grundsätzlich keine veröffentlichungspflichtige Insiderinformation, es sei denn, das Gebot liegt deutlich und für den Bieter erkennbar über denen der Konkurrenz. In diesem Ausnahmefall ist eine Selbstbefreiung möglich.
Durch das konkrete Kaufpreisgebot wird der Erwerb nicht unbedingt wahrscheinlicher. Liegen die Gebote der Mitbewerber in etwa auf gleicher Höhe, so hat schon objektiv keiner der Bieter einen Vorsprung gegenüber den restlichen und damit eine erhöhte Abschlusswahrscheinlichkeit. Aber selbst wenn eines der Gebote deutlich über denen der Konkurrenz liegt, kann zwar seitens des Auktionators eine Prognose erstellt werden, der bevorzugte Bieter kennt allerdings die übrigen Gebote in der Regel nicht, sodass er von seinem Vorsprung nichts weiß und dies daher gar nicht publizieren könnte. Hat er die Konkurrenten weit hinter sich zurückgelassen und wird er darüber in Kenntnis gesetzt, so entsteht bei ihm eine ad-hoc-pflichtige Insiderinformation. Um einen geregelten Fortgang der Transaktion zu gewährleisten, kann er sich von der Publizitätspflicht selbst befreien.
KRAMMER JAHN-PRAXISHINWEIS: Kommt es zur Entstehung einer Insiderinformation, so ist der führende Bieter gut beraten eine Selbstbefreiung auch vorzunehmen, ansonsten würde er die Konkurrenz alarmieren sowie den Preis von Seiten Dritter nach oben treiben. Wichtig ist in jedem Fall einen dokumentierten Beschluss zum Aufschub der Publikation zu fassen, um sich nicht sanktionsanfällig zu machen. |
Vertragsverhandlungen
Verhandlungen mit dem Auktionator nach den Binding Offers sind nur ad-hoc-pflichtig, wenn dem Bieter Exklusivität zugesichert wird. In jedem Fall veröffentlichungspflichtig ist die Einigung über die wesentlichen Vertragsmodalitäten, sofern ein anderer Bieter nicht ebenfalls an diesen Punkt gelangt ist. Es ist jedoch ein Aufschub der Bekanntgabe bis zum Vertragsabschluss möglich (Muster für einen Befreiungsbeschluss).
Der Verhandlungseintritt mit dem Veräußerer erhöht die Chancen des Bieters seine Konkurrenten, mit denen zeitgleich verhandelt wird, auszustechen nicht. Erst wenn einem Bieter Exklusivität zugesichert wird, hat er die Möglichkeit seine Mitbewerber hinter sich zurückzulassen und die Übernahme zum Abschluss zu bringen. Der Auktionator wird die Exklusivität nur anbieten, wenn er im entsprechenden Bieter seinen favorisierten Vertragspartner sieht; der Abschluss mit diesem Verhandlungspartner ist wahrscheinlicher als mit den übrigen. Eine Insiderinformation liegt somit vor.
Auch ohne Exklusivität ist es für den Bieter möglich die Verhandlungen zu seinen Gunsten zu entscheiden. Sobald mit einem Verhandlungspartner die wesentlichen Vertragskonditionen konkretisiert sind, wird der Auktionator mit diesem Bewerber eine Einigung herbeiführen und die Verhandlungen mit den restlichen Bietern abbrechen. Anders zu beurteilen wäre dies nur, wenn er mit mehreren gleichzeitig vor der Einigung stehen würde. Abgesehen von dieser Ausnahme liegt eine Insiderinformation vor, die jedoch aufgeschoben publiziert werden kann.
Signing
Mit dem Vertragsschluss aktualisiert sich die Insiderinformation. Außerdem entfällt die Selbstbefreiung, sodass sie in ihrer aktuellen Form zu publizieren ist.
Durch den Vertragsschluss wird die Auktion beendet und der zukünftige Umstand des Verkaufs wird zu einer vorliegenden Tatsache. Durch den Abschluss der Verhandlungen besteht außerdem nicht mehr die Gefahr, dass der Unternehmensübergang durch steigende Kurse, die in Erwartung der Transaktion zustande kommen, vereitelt wird. Nachdem das berechtigte Interesse entfallen ist, ist die Selbstbefreiung ebenfalls obsolet und der Vorgang ist mit seinem aktuellen Stand zu veröffentlichen.
KRAMMER JAHN-PRAXISHINWEIS: Da die Insiderinformation jetzt ad-hoc-veröffentlicht wird, ist der BaFin die Selbstbefreiung anzuzeigen und die Prüfung derselben zu ermöglichen, daher sollten alle notwendigen Beschlüsse dokumentiert sein, um keine Beweislücken zu lassen. |
Closing
Das Closing stellt keine eigene Insiderinformation dar und ist nicht veröffentlichungspflichtig.
Der dingliche Vollzug des Vertrags ist bereits mit dessen Abschluss in den Kurs eingepreist worden, sodass es zu keiner Kursrelevanz mehr kommt. Davon ist nur eine Ausnahme zu machen, wenn das Übertragungsgeschäft wesentlich vom Vertrag abweicht.