MARKTMISSBRAUCHSVERORDNUNG (MMVO / MAR)

 


Einseitiger Rücktritt einer Führungskraft

Der Musterfall der kursrelevanten Personalveränderung ist das Ausscheiden eines Vorstandsmitglieds. Dieser kann abweichend von der Abberufung durch den Aufsichtsrat seine Organstellung auch durch einseitige Niederlegungserklärung aufgeben. Obgleich die Abgabe dieser Erklärung alleine Auslöser für den Rücktritt ist, ist im Rahmen eines mehrstufigen Geschehensverlaufs der Entscheidungs- und Bekanntgabeprozess im Vorfeld zu berücksichtigen, da die Entscheidung auch vorher schon kursrelevante Ausmaße annehmen kann.


Willensbildung der Führungsperson

Die Willensbildung der ausscheidenden Person kann noch keine veröffentlichungspflichtige Insiderinformation darstellen.

Die Gedanken einer Führungspersönlichkeit kann die Gesellschaft nicht kennen, sodass sie auch nicht dazu in der Lage ist eine Ad-hoc-Meldung herauszugeben. Solange die Information im privaten Bereich des Ausscheidenswilligen verbleibt, etwa weil er sich dort Rat oder Bestätigung einholt, handelt es sich immer noch um eine Erwägung, der es an der nötigen Präzision fehlt.


Vorbereitung der Niederlegungserklärung

Bedient sich der Ausscheidende zur Vorbereitung seines Rücktritts gesellschaftsinterner Strukturen oder bespricht er seine Pläne (vertraulich) mit einem Funktionär, so liegt eine ad-hoc-pflichtige Insiderinformation vor.

Lässt die Führungsperson die Amtsniederlegung beispielsweise in ihrem Sekretariat vorbereiten, so ist das Rücktrittsgesuch endgültig in die Sphäre des Emittenten gelangt und das geplante Ausscheiden ist ad-hoc zu publizieren. Dies ist unbedingt notwendig, da durch die Bekanntgabe des konkreten Vorhabens der Boden für verbotenen Insiderhandel in besonderem Maße bereitet wurde. Zudem ist die Entscheidung der Amtsniederlegung auch bereits hinreichend wahrscheinlich gefallen, wenn interne Angestellte mit der Vorbereitung betraut werden.

Ähnlich verhält es sich bei einer vertraulichen Absprache mit einem Verantwortlichen (Vorstand oder Aufsichtsrat). Zwar können solche Gespräche auch zur noch offenen Willensbildung geführt werden, jedoch hat der Ausscheidende seine Entscheidung zumeist schon getroffen und wird sich nur in Einzelfällen umstimmen lassen; der Rücktritt ist überwiegend wahrscheinlich. Oft werden solche Gespräche geführt, um frühzeitig die Nachfolgediskussion zu ermöglichen. Auch wenn die Informationsvermittlung im privaten Bereich erfolgen soll, so ist die Information selbst immer eine gesellschafts- und kapitalmarktrechtliche. Die Information ist in jedem Fall zu veröffentlichen. Zudem ist auch keine Selbstbefreiung möglich. Die Nachfolgefrage hat der Emittent selbst zu klären und selbst wenn die Publikation des Rücktritts die Suche behindert, so muss dies hinter der latenten Gefahr des Insiderhandels zurücktreten. Anders zu bewerten ist dies nach Ansicht der ESMA nur, wenn ein Nachfolger trotz der unerwarteten Amtsnierlegung bereits zur Verfügung steht; die Führungslosigkeit besteht dann nur rechtlich, nicht aber faktisch, sodass die Marktöffentlichkeit durch die Meldung des Rücktritts nicht in die Irre geführt werden soll.

KRAMMER JAHN-PRAXISHINWEIS: Die Zuständigkeit diese Publikation vorzunehmen liegt unverändert beim Vorstand, da die Zuständigkeit zur Ad-hoc-Meldung grundsätzlich beim Vorstand verbleibt und nicht auf den Aufsichtsrat übergeht. Gegebenenfalls hat das entsprechende Vorstandsmitglied seinen eigenen Rücktritt zu veröffentlichen.


Zugang der Rücktrittserklärung

Mit Abgabe der Amtsniederlegung gegenüber mindestens einem Mitglied des zuständigen Gremiums ist das Ausscheiden der Führungskraft als Faktum anzusehen, sodass eine erneute Ad-hoc-Meldung notwendig wird.

Sobald die Rücktrittserklärung an das zuständige Gremium übermittelt ist, ist das Ausscheiden endgültig zu erwarten. Dabei genügt es, wenn ein Mitglied Kenntnis von der Erklärung erlangt; die Auseinandersetzung des Organs mit der Amtsniederlegung ist nicht abzuwarten, um Verzögerungen auszuschließen. Die Erklärung wird grundsätzlich mit ihrem Zugang wirksam und ad-hoc zu publizieren.

KRAMMER JAHN-PRAXISHINWEIS: Sollte die Amtsniederlegung erst zu späterem Zeitpunkt erfolgen, so ist trotzdem der Zugang maßgeblich, da zu diesem Zeitpunkt die Kursanpassung vorgenommen wird und sodann die Kursrelevanz vorliegt.


Eintragung im Handelsregister

Ist eine Eintragung der Amtsniederlegung erforderlich, so stellt diese keine Insiderinformation dar und ist auch nicht ad-hoc-pflichtig.

Die Eintragung im Handelsregister ist ein rein deklaratorischer Akt. Ferner zeitigt er keine Kursrelevanz mehr, da der Personalwechsel bereits mit seinem endgültigen Feststehen durch den Zugang der Rücktrittserklärung in den Kurs eingepreist wurde.